Der Deutsche Gewerkschaftsbund feiert 70. Geburtstag – Schattenseiten ausgeblendet

Dr. Alexander von Paleske —- 26.10.2019 —–

Diese Woche feierte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) seinen 70. Gebutstag. Heute hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seinen Einzelgewerkschaften zusammen  rund 6 Millionen Mitglieder, nur noch halb so viele  wie vor 30 Jahren.

Zu den Ursachen für diesen Mitgliederschwund gehört vor allem,  dass sich die Industrielandschaft stark gewandelt hat. Der Bergbau und  die Hochofenindustrie sind  nur noch  Schatten ihrer  unsprünglichen Grösse. Stattdessen  expandierte der Dienstleistungssektor mit seiner starken Zersplitterung, was den  oftmals geringen bzw. fehlenden Organisationsgrad dort erklärt. So sind beispielsweise die Beschäftigten in  Unternehmen wie  Starbucks oder den Zustellerdiensten  meist gar nicht organisiert.

Als Antwort auf den Mitgliederschwund wurden Einzelgewerkschaften zusammengelegt, Beispiele: die aus der Gewerkschaft Öffentliche Dienste Transport und Verkehr (ÖTV) hervorgegangene Dienstleistungsgewerkschaft  Verdi.

Von einstmals 16 sind 8 Einzelgewerkschaften übriggeblieben.

Aber das alleine reicht zur Erklärung des Mitgliederschwundes nicht aus. Zusätzlich zu diesen Stukturveränderungen im Beschäftigungssektor kam ein gewaltiger Vertrauensverlust durch hausgemachte Skandale  in den 70er und 80er Jahren hinzu, die aus dem Ausflug der Gewerkschaften in die Kapitalistenwelt resultierten, wo sie als Interessenvertreter der Arbeitnehmer wohl kaum etwas zu suchen hatten.

 Betrug, Untreue, Raffgier, Plünderung von Pensionskassen, blanke Verachtung des Wohls der Beschäftigten: die hässlichsten  Seiten des Kapitalismus  waren in den Firmen der Gewerkschaft reichlichst zu finden.

Genannt seien:

– Der Neue Heimat- Skandal

– Der Coop- Skandal

 – Die Verscherbelung der gewerkschaftseigenen Bank, der  Bank für Gemeinwirtschaft, BfG, einstmals viertgrösste Bank Deutschlands.

BfG Hochhaus in Frankfurt

Wirtschaftlicher Hintergrund für diesen Ausflug in die  Kapitalistenwelt  waren die   Streikkassen,  in den 50er 60er und auch 70er Jahren  mehr als prall gefüllt dank der relativ geringen Zahl von Streiktagen.

Viele Forderungen der Gewerkschaften wurden nicht durch Streiks, sondern gleich durch Verhandlungen-  oder politisch – gelöst, darunter

  •  die 5-Tage Woche
  • die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall.
  • Die paritätische  Mitbestimmung.

Anders als in Grossbritannien gab es damals auch keine Partikularstreiks, wo also eine kleine Gruppe eines Betriebs mit ihrem Streik einen ganzen Betrieb lahmlegen konnte.

Das entwickelte sich in Deutschland erst in den letzten zehn Jahren, insbesondere im Bereich der Flughafenbeschäftigten, des Bordpersonals der Flugzeuge, aber auch bei den Eisenbahnern mit der Lokführergewerkschaft.

Ernsthafte Konkurrenz von anderen Gewerkschaften,  und damit dessen Schwächung, gab es in Deutschland auch praktisch nicht, anders als z.B. in Frankreich mit der kommunistischen CGT einerseits, und der sozialistischen CFDT andererseits, , wenn man von der DAG   in Deutschland einmal absieht, die aber später sich mit der VERDI vereinigte.    

Mit den Abermillionen DM Gewerkschaftsbeiträgen, also der Streikkasse wollten  Gewerkschaften  zeigen, dass sie “gemeinwohligen” Kapitalismus schaffen können.

Die Gewerkschafts- Bank für Gemeinwirtschaft

Um die Streikgelder nicht bei den Geschäftsbanken deponieren zu müssen gründeten die Gewerkschaften die Bank für Gemeinwirtschaft (BfG).

Die Geschäftspolitik der Bank für Gemeinwirtschaft wurde durch das Prinzip der Gemeinwirtschaft bestimmt. Die BfG sollte nicht nur die Hausbank der Gewerkschaften und der Konsumgenossenschaftsbewegung sein, sondern nachweisen, dass eine Bank auch ohne privates Gewinnstreben im Gemeinwohlinteresse erfolgreich betrieben werden kann…..

Die BfG galt lange Zeit als Bank für kleine Leute,  aber operierte zunehmend auch  international mit Grosskreditvergabe . Anfang der 1980er war sie kurz davor, die Commerzbank als drittgrößtes Kreditinstitut Deutschlands abzulösen. Da war sie aber schon längst keine “Bank der kleinen Leute” mehr.   Dann began der Absturz:  durch waghalsige Grosskreditvergaben, und mitgerissen in den Strudel des Neue Heimat Skandals.

 Auch in Oesterreich gab es ein derartiges Geldhaus für “Kleine Leute”, die BAWAG.Auch hier musste nach waghalsigen Spekulationen der Notstand ausgerufen, und die Streikkasse der Gewerkschaften zur Rettung geopfert werden, bevor die Bank dann von einer “Heuschrecke” übernommen wurde, wir berichteten darüber.. .

Keine Heimat für die Neue Heimat

Die Neue Heimat war eines der grössten Unternehmen im sozialen Wohnungsbau, die allerdings in den 80er Jahren durch unvorstellbaren Grössenwahn und Misswirtschaft bankrott ging.  Allen voran:  der  Neue Heimat- Vorstand Albert Vietor, der durch seine Privatgeschäfte der Neuen Heimat einen Verlust von rund 100 Millionen DM bescherte.

Eigene Erfahrung

Es war 1970 als ich auf ein Spekulationsobjekt der Neuen Heimat in Frankfurt aufmerksam gemacht wurde. Ich hielt es persönlich damals eigentlich für unmöglich, dass ein gewerkschaftseigenes Unternehmen sich an   Bodenspekulation und Mietervertreibung  in Frankfurt beteiligte, aber so war es. Es handelte sich um einen Wohnkomplex am Anfang der Hamburger Allee gegenüber der Messe, den die Neue Heimat gekauft hatte,  und nun daranging, mit übelsten Methoden die Mieter zu vertreiben: Abstellen des Wassers, ständiger nächlicher Lärm durch bezahlte Krachmacher,  um dann dort ein Hotelhochochhaus zu errichten. Die Mieter, die zum Teil langfristige Mietverträge hatten, wurden schliesslich vertrieben, das Wohnhaus abgrissen und ein Hotelhochhaus errichtet.

Es sollte aber noch einmal 10 Jahre dauern, bis das ganze Ausmass der Machenschaften vom SPIEGEL aufgedeckt wurde,

Eine Pleite und die Folgen

Der Konzern, der Tausende von Wohnhäusern in der Nachkriegszeit errichtet hatte, war schliesslich pleite, und wurde für 1 DM an einen Berliner Bäcker namens Schiesser  verkauft. So glaubte der DGB, das Problem los zu sein. Ein Irrtum wie sich zeigte: der Verkauf musste rückgängig gemacht werden, der Konzern wurde zerschlagen, und die Wohnhäuser  verkauft. Die Folgen davon sind noch heute vielfach  zu spüren, denn die Wohnkomplexe  wurden oftmals an Immobilienhaie verhökert, mit den bekannten Folgen:  bis heute  Vertreibung von Mietern durch exorbitante Mieterhöhungen und enorme Renovierungskosten nach jahrelanger Vernachlässigung.Gemeinwirtschaft wären jedoch  niedrige Mieten und ggf. der Verkauf  von Wohnungen zu günstigen Preisen unterstützt mit Krediten der Bank für Gemeinwirtschaft gewesen. . Nichts davon, denn das stand längst nicht mehr auf der Agenda des Vorstandes der Neuen Heimat – wenn es je dort stand –  und auch nicht der BfG.

Der Coop-Skandal

Auch der nächste  Trip der Gewerkschaften in das Reich des Kapitals endete mit einer teuren, vertrauenszerstörenden Bruchlandung:  Die Coop.

Die co op AG mit Sitz in Frankfurt/M. war ein gewerkschaftseigenes deutsches Handelsunternehmen wie REWE, EDEKA Aldi oder Lidl . Es entstand Anfang der 1970er Jahre aus dem Zusammenschluss der vielen  westdeutschen Konsumgenossenschaften..  Das waren Einkaufsläden, die ursprünglich gemeinwirtschaftlich arbeiteten und Gewerkschaftsmitgliedern und ihren Angehörigen preiswerte Einkaufsmöglichkeiten boten.

Die neugeründete Coop  beschäftigte zuletzt  50.000 Mitarbeitern mit einem Umsatz von 2 Milliarden DM,  von einem Trio Infernale geleitet, bestehend aus Dieter Hoffmann, Werner Casper und Bernd Otto, das vornehmlich an sich selbst dachte.

Im Zuge der Neue Heimat Krise wollten sich der DGB aus diesem Unternehmen zurückziehen, aber gleichwohl noch die wirtschaftliche Kontrolle behalten. Das Trio nutzte die verworrenen Eigentumsverhältnisse. Die  Coop  sollte sich quasi  selbst übernehmen, und dann an die Börse gebracht werden. Ein abenteuerlicher Plan, perfekt geeignet zur Selbstbereicherung.. Ein Schurkenstück erster Klasse war  das, was sich nun abspielte: Plüderung galore, begünstigt durch Fehler in der Konzernkonstruktion, die Gutgläubigkeit der Banken, den Beistand von Gewerkschaftsfunktionären, und die mangelhafte Kontrolle des Aufsichtsrats..

Selbst die Pensionskasse des Unternehmens fiel diesen “Geiern”  zum Opfer Die Beschäftigten landeten auf der Strasse, Betriebsrenten waren passé.

Ausblick

Nach 70 Jahren stellt jetzt die Digitaliserung, der zu erwartende Verlust von Arbeitsplätzen,  nicht nur der Automobilindustrie, der zu erwartende deutliche Rückgang der Exporte,  ebenso wie die notwendigen Massnahmen gegen die Klimakrise, die Gewerkschaften vor grosse Herausforderungen.

Nun bekommen die Gewerkschaften auch in manchen  Betrieben Druck. Der Hintergrund: Unzufriedenheit mit dem Betriebsräten der Gewerkschaft.

Die Betriebsräte sind durch das Betriebsverfassungsgestz 1952 eingeführt worden. Gewählt von den Mitarbeitern sind sie zum Teil freigestellt von ihrer Arbeit im Betrieb, und haben  erhebliche Mitspracherechte,  gerade auch bei bei Kündigungen und  Standortschliessungen.

Die Betriebsräte waren eigentlich immer DGB-Gewerkschaftler. Das änderte sich aber bereits 1972, als Willi Hoss mit einer eigenen Liste zu den Betriebsratswahlen bei Daimler Benz antrat, und Erfolg hatte. Himtergrund: die DGB-Betriebsräte hatten sich unzureichend um die Belange der Belegschaft gekümmert

Er war einer der ersten, aber längst nicht der letzte. Letztes Beispiel: Murat Yilmaz bei BMW.  Immer wieder geht es gegen Gewerkschafter im Betriebsrat, die offenbar vergessen haben, woher sie kommen, denen Schulterreiben mit der Geschäftsführung wichtiger ist, als die Interessen und Noete der Kollegen ernst zu nehmen.

ZEIT-Artikel 21.3. 2019

Hinzu kommt die oft zweifelhafte Bezahlung mancher Betriebsräte, letztes Beispiel: Die Auseinandersetzungen um die Bezahlung des Porsche- Betriebsrats  Uwe Hueck. Betriebsräte sollen keine bessere Entlohnung enthalten als sie im Betrieb verdient haben/hätten. Nicht selten haben die Betriebe, wenn es um freigestellte Betriebsräte geht, die Spendierhosen an, Das zahlt sich eben auch aus, wenn es um Konflikte im Betrieb geht. Ein  Betriebsrat darf daher nicht wie ein leitender Angestellter bzw. Manager bezahlt werden. Gerade hier könnte sich ein neuer Vertrauensverlust der Gewerkschaften abzeichnen.

Fazit:

Die Gewerkschaften, absolut notwenig zur Durchsetzung von Interessen der Lohnanhängigen, haben dank ihrer Fehler in der Vergangenheit erhebliches Vertrauen verspielt. Es bleibt zu hoffen, dass sie den neuen Herausforderungen gesamtgesellschaftlich, wie auch auf Betriebsebene gewachsen sind.

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