Russlands Präsident Putin vor dem Ziel?  USA begrenzt kompromissbereit

Dr. Alexander von Paleske —- 15.2. 2022 —–

Als die deutsche Aussenministerin Baerbock vorgestern abend  in den Tagesthemen gefragt wurde, was der Westen denn Russland anzubieten habe im Rahmen eines möglichen Kompromisses, wiederholte sie gebetsmühlenartig: Verhandlungen,  Russland aber mit  schärfsten Sanktionen zu rechnen habe, sollte es in die Ukraine einmarschieren. Gleiches wiederholte Bundeskanzler Scholz gestern bei seinem Besuch in der Ukraine. Dabei ist längst klar:

Russland würde seine Truppen nur abziehen, und ein drohender Krieg letztlich  nur abgewendet werden können,  wenn ein Kompromiss erreicht werden könnte in Sachen

  • Nato- Osterweiterung insbesondere keine Nato-Aufnahme von Ukraine und Georgien,
  • Einhaltung des Minsker Friedensabkommens einschliesslich des Rückzugs beiderseitiger Truppen
  • Volksabstimmung über den zukünftigen Status der Ostukraine (Donezk und Luhansk).
Russische Tuppen an der Grenze zur Ukraine ……..noch ist es Manöver

Nicht dran gehalten

Die Ukraine hat sich nicht an das Minsker  Friedensabkommen gehalten, tägliche Schiessereien und Tote an der Waffenstillstandslinie sind die Regel.

Auf dem letzten Normandie-Format-Treffen der Regierungschefs von Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich am 9.Dezember 2019 in Paris,  wurde neben einem Gefangenenaustausch ein Waffenstillstand in der Ostukraine bis Ende des Jahres, und ein weiterer Truppenrückzug in drei weiteren Gebieten an einer Demarkationslinie  bis März 2020 vereinbart. Auch ein Bekenntnis zu der sogenannten Steinmeier-Formel, ein auf Frank-Walter Steinmeier zurückgehenden Vorschlag, den ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk einen Soderstatus  zu verleihen und dort Wahlen unter Beobachtung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) durchzuführen, wurde formuliert. Als Ergebnis des Gipfels wurde ein zusammenfassendes Dokument mit dem Titel „Allgemeine vereinbarte Schlussfolgerungen des Pariser Gipfels im Normandieformat vom 9. Dezember 2019“ unterzeichnet.

Der  ukrainische Präsident Selenskyj weigerte sich jedoch, die eigenen Truppen und Milizen, einschliesslich des offen faschistischen Azov-Regiments, zurückzuziehen, und eine Volksabstimmung kam für ihn erst nach Rückzug der Separatisten und Wiederherstellung der Hoheit der Ukraine über diese Gebiete in Frage.  

Für eine Diskussion über eine Rückgabe der Krim, die 2014 von Russland annektiert wurde, stand Russland wiederum nicht zur Verfügung. So gingen die täglichen tödlichen Scharmützel weiter. 

In der darauffolgenden Zeit rüstete die Ukraine auf, das Dorf Staromarivka wurde zurückerobert, in der Türkei gekaufte, mit Raketen bestückte Drohnen gegen militärische Ziele in den von Separatisten kontrollierten Gebieten  eingesetzt. Plan der ukrainischen Regierung war es offenbar, die Gebiete von Donezk und Luhansk Stück für Stück zurückzuerobern.

Verständlich, dass Putin nun eine endgültige Lösung des langen Konflikts suchte, notfalls  mit militärischen Mitteln.

Den USA ist klar, dass Putin – trotz Androhung schärfster Sanktionen, die aber auch den Westen insbesondere Deutschland  hart treffen würden  –  zum Aeussersten entschlossen ist, sollte es keine Fortschritte auf dem Verhandlungswege geben, zumal deutlich  ist, dass die NATO  der Ukraine im Kriegsfall nicht beispringen würde.

Die Ukrainische Regierung unter Präsident Selenskyj spielte – ganz im Gegensatz zu den USA – die Kriegsgefahr herunter, offenbar  mit dem Ziel, keine Kompromisse zur Friedenserhaltung anbieten zu müssen, verlangte aber auf der anderen Seite Waffen, insbesondere von  Deutschland, um damit indirekt waffenliefernde Staaten in den Konflikt mit hineinzuziehen, denn einem Angriff seitens Russland könnte  die Ukraine – auch mit neueren Waffen –  nicht standhalten.

Nach meheren Telefonaten und Treffen mit westlichen Regierungschefs musste Selenskyj aber einsehen, dass er nicht nur seine Rückeroberungsträume aufgeben musste, vielmehr Gefahr lief, dass die Ukraine von russischen Truppen überrannt würde. In seinem letzten Telefonat mit Selenskyj  übte der  US-Präsident offenbar massiven Druck aus, um Selenskyi zur Kompromissbereitschaft, also einer Verhandlungslösung zu bewegen, in erster Linie zu einem Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft.

Und so erklärte der ukrainische Botschafter in Grossbritannien Vadym Prystaiko gestern, die Ukraine sei zu diesem Verzicht bereit.  Das  war auch eine Art Testballon, da man sich, im Falle von  gewalttätigen nationalistischen Proteste in der Ukraine sich flugs hätte  davon wieder distanzieren können.  

Vadym Prystaiko

Ende der NATO-Osterweiterung

Die NATO- Osterweiterung käme damit zum Ende.

 Putin verlangt in seinem Forderungskatalog aber weit mehr: die NATO Osterweiterung nach 1990 praktisch rückgängig zu machen. Eine Maximalforderung, die sich natürlich so  nicht durchsetzen lässt.

Putin hat mit seiner Behauptung, bei der NATO-Osterweiterung sei Russland hereingelegt worden, allerdings einen Punkt:  Denn nach dem Mauerfall war zunächst strittig, ob die Bundesrepublik als Ganzes in der NATO verbleiben könne. Der damalige Bundesaussenminister Genscher hatte am 31.1 1990 also nach dem Mauerfall,  erklärt, die NATO möge eine Erkärung folgenden Inhalts abgeben:

Was immer im Warschauer Pakt geschieht, eine Ausdehnung des NATO Territoriums nach Osten,wird es nicht geben.”

 Der sowjetische Parteichef Gorbatschow tat sich damals schon sehr schwer, die NATO-Mitgliedschaft eines vereinten Deutschland zu akzeptieren, wie der SPIEGEL in seiner neuesten Ausgabe vom 12.2. 2022 Seite 28 berichtet.

SPIEGEL-Artikel vom 12.2. 2022

Obgleich   Polen,  Ungarn,  Tschechen und Balten grosses Interesse an einer NATO-Mitgliedschaft signalisierten, lehnten der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und  der seinerzeitige US-Präsident Bill Clinton dies zunächst strikt ab. Später nutzten die USA und ihre  NATO-Partner die Schwäche Russlands unter dem Trunkenbold Boris Jelzin aus, um die NATO- Osterweiterung gegen Russland durchzusetzen. Jelzin soll angeblich empört aber hilflos gewesen sein. Hier ging es um nichts anderes als krude Machtpolitik der USA, die mit Hilfe der NATO ihre Vormachtstellung in Europa zementieren wollten.

Wie der SPIEGEL zu Recht feststellt,  brach die NATO mit der Osterweiterung der NATO  keinen abgeschlosenen Vertrag mit Russland, wohl aber verletzte sie die Geschäftsgrundlage der Vereinbarungen über die Wiedervereinigung Deutschlands. Jahre später sagte auch der ehemalige Deutsche Aussenminister Genscher:

Formal ïst die Osterweiterung in Ordnung, aber man solle sich nichts vormachen, gegen den Geist der Absprachen von 1990 verstosse man sehr wohl.

Das beotonte auch Gorbatschow immer wieder.

Insofern ist es lächerlich, dass immer wieder betont wird, jedes Land habe das Recht, Mitglied der NATO zu werden. Viel wichtiger ist hingegen die Frage, welche politischen Folgen  mit einer derartigen Aufnahme verbunden sind, und deshalb sehr wohl  auch eine Mitgliedschaft abgelehnt werden kann – und muss.

Der langgediente US-Diplomat George F. Kennan erklärte 1997 zu der geplanten Osterweiterung der NATO:

Das ist ein  verhängnisvollster Fehler der westlichen  Politik in der Ära nach dem Kalten Krieg, weil diese Entscheidung erwarten lasse, dass die nationalistischen, antiwestlichen und militaristischen Tendenzen in der Meinung Russlands entzündet werden; dass sie einen schädlichen Einfluss auf die Entwicklung der Demokratie in Russland haben, dass sie die Atmosphäre des Kalten Krieges in den Beziehungen zwischen Osten und Westen wiederherstellen und die russische Außenpolitik in Richtungen zwingen, die uns entschieden missfallen werden.“

Recht hatte er, genau so ist es dann auch gekommen.

Bei weiterer NATO-Ausdehnung: Krieg

Putin hat klargemacht, dass eine weitere Ausdehnung der Nato zum Krieg mit Russland führen würde. Diese Botschaft ist angekommen jedenfalls bei US-Präsident Biden und Frankreichs Präsident Macron.

Damit ist auch klar, dass  Georgien und die Ukraine gegen den Willen Russlands nicht mehr NATO-Mitglied werden.  In den jetzt anstehenden Verhandlungen geht es aber um weit mehr: um eine endgültige Friedenslösung für die Ostukraine, mehr noch:  über die Etablierung eines Sicherheitssystems in Europa.

In Kenntnis der geschichtlichen Zusammenhänge sollte es eigentlich nicht allzu  schwerfallen, einen tragfähigen Kompromiss zu finden. Die Alternative ist Krieg in Europa. Dass Putin die russischen   Truppen – ohne dass ein Ergebnis erzielt wurde –  einfach abzieht,  können  wohl nur politische Narren glauben, wobei Putin  die gebetsmühlenartig wiederholten Sanktionsdrohungen kaum beeindrucken dürften, denn sie würden auch  Europa – und insbesondere Deutschland – sehr hart treffen: Deutschland ist von Russlands Gaslieferungen zu rund 50% abhängig, Russland ist ebenfalls global der zweitgrösste Erdölproduzent. Ein wirtschaftlicher Einbruch, wie ihn Deutschland und Europa nach dem Ende des 2. Weltkriegs noch nicht gesehen haben, nach einem dann erwartbaren Stopp der Lieferungen Russlands,  wäre die Folge.

Schmerzhafte Kompromisse – auf beiden Seiten – sind nötig um einen Krieg mit all seinen Folgen zu  verhindern.

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