Österreich: Skandale ohne Ende, oder: vom beschaulichen Alpenländle zur Skandal-(Bananen?-)Republik Europas

Dr. Alexander von Paleske —— 06.11. 2022 ——–

Am Donnerstag vergangener Woche  berichteten auch Deutsche Medien über den Auftritt eines Thomas Schmid vor einem parlamentarischen  Untersuchungsausschuss in Österreich. Es ging dabei um die  Vorwürfe von Korruption im Zusammenhang mit dem Wahlkampf in Österreich 2017.

Thomas Schmid ……auspacken um den eigenen Kopf zu retten

Sebastian Kurz, seinerzeit der “Shooting Star” der Österreichischen Volkspartei(ÖVP) , schaffte es, von der Position des Aussenministers ins Bundeskanzleramt katalpultiert zu werden, zum  jüngsten Parteivorsitzenden, den die ÖVP – vergleichbar der CDU/ CSU in Deutschland –  und zum jüngsten Bundeskanzler den Österreich je hatte –  und nun vielleicht auch noch zum korruptesten. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Sebastian Kurz

Skandalwahlkampf 2017

Wahlkämpfe werden ja oftmals hart  geführt, nicht immer sauber, aber dieser austrische Wahlkampf war besonders schmutzig.Sebastian Kurz seinerzeit Aussenminister, wollte unbedingt, und so rasch wie möglich, Bundeskanzler werden. Also musste die ÖVP erstens den Wahlkampf gewinnen, und zweitens ein innerparteilicher Konkurrent namnes Mitterlehner aus dem Rennen geworfen werden. So starteten Kurz & Co  die “Operation Ballhausplatz”, und die ging angeblich so: eine sehr bekannte aber offenbar  korrupte Meinungsforscherin namens Sabine Beinschab frisierte Wählerumfragen so, dass die ÖVP vorne lag, und gab diese getürkten Ergebnisse dann an die Boulevard-Presse weiter. Bezahlt wurde sie aber nicht von den Massenblättern, sondern aus dem Finanzministerium, und zwar vom höchsten Spitzenbeamten dort namens Thomas Schmid, wir kennen ihn ja schon. Das war nicht nur schmutzig, sondern durch und durch rechtswidrig und strafbar – es gilt die Unschuldsvermutung.

Aber wirkliche Saubermänner sind in Österreich in der Politik eher eine Rarität, und so wühlte auch die Konkurrenz, die SPÖ,  im Dreck.  Sie  verantwortete den  Tal-Silberstein Skandal: Ein umtriebiger internationaler Politstratege namens Silberstein erarbeitete   im Nationalratswahlkampf 2017 für den Ex-SPÖ-Chef Christian Kern   die Wahlkampfstrategie –  eine extrem schmutzbeladende –  für  ein paar lumpige hunderttausend Euro.

Silberstein ergatterte diesen Job auf  auf Empfehlung von Ex-SPÖ-Kanzler Alfred  Gusenbauer,  einer  “Sumpfblüte” aus dem austrischen “Skandalbiotop” über den hier schon mehrfach berichtet wurde. Zwar hätte Kurzens “Dreck am Stecken” damals bereits ausgereicht, um ihm die Karriere zu vermiesen und einen Wahlsieg einzufahren, aber das war  der SPÖ und dem Tal Silberstein unbekannt, also musste erfundener Dreck verschleudert werden

Silbersteins Strategie-Mantra:

“Wir müssen den gegnerischen Kandidaten von einem sauberen in einen schmutzigen Kandidaten verwandeln. Das ist unsere Aufgabe. Alles, was du tust, darf aber in keiner Weise mit uns (der SPÖ )in Verbindung gebracht werden“.

Und so startete Silberstein seine extrem schmutzige Wahlkampagne, mit üblen Verdächtigungen gegen den politischen Gegner , und zwar, wie es sich heute gehört, über die sozialen Netzwerke. Als es aufflog wurde es zum Silberstein- Skandal, der letztlich das Gegenteil von dem bewirkte, was beabsichtigt war: er half  mit, die Opposition von ÖVP und FPÖ an die Macht zu bringen.

Alles versaubeutelt

Alles hätte nun so schön werden können, Kurz startete durch, erntete Lob von fast allen Seiten, die SPÖ war durch den Tal Silberstein-Skandal massiv geschwächt, wenn ja, wenn nicht  der  Ibiza Skandal  des Heinz-Christian Strache  von Kurzens Koalitionspartner FPÖ dazwischen gekommen wäre.

Auf der schönen Mittelmeerinsel Ibiza wollte sich Vizekanzler Strache und der FPÖ Politiker Gudenus einem russischen Oligarchen über dessen Nichte andienen.  In Videoaufnahmen des Treffens auf der spanischen Insel Ibiza zeigten   beide Politiker ihre Bereitschaft zur Korruption, zur  Umgehung der Gesetze zur Parteienfinanzierung, sowie zur verdeckten Übernahme der Kontrolle von  parteiunabhängigen Medien.  Konkret: um zu helfen, das  österreichische Massenblatt  Kronen-Zeitung zu kaufen, um es   zu einem Propagandablättchen für Strache und Co umzufunktionieren.  Pech, dass es sich bei den Andienungsverhandlungen um eine Journalistenfalle handelte:  den russischen Oligarchen gab es nicht,  Strache war als hinterhältiger Pseudodemokrat blossgestellt und  musste zurücktreten.  Kanzler Kurz konnte  sich als aufräumender Saubermann präsentieren und  koalierte fortan mit den Grünen.

Das hätten die Grünen mal besser sein lassen sollen, den Kurz hatte offenbar weit mehr Dreck am Stecken als der Strache – es gilt die Unschuldsvermutung.

Denn nun wurde als Folge der Ibiza Affäre, ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingerichtet, im Politsumpf gestochert und die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelte – hartnäckig und  gegen starke Widerstände. Detaillierte anonyme Hinweise und Beschuldigungen liefen ein,  Hausdurchsuchungen bei Verdächtigen folgten, und siehe da: weit mehr als nur die Umstände des Strache-Ibiza- Skandals kamen zum Vorschein, sondern weitere handfeste Skandale:

  • Der Novomatic-  auch Casinos Skandal genannt.   Dabei handelte es sich  um mutmaßliche Absprachen während der ersten Amtszeit von Kurz auch Kurz I genannt, zwischen Politikern der damaligen Regierungsparteien  ÖVP und FPÖ  sowie dem Glückspielkonzern Novomatic. Der völlig unqualifizierte FPÖ-Bezirksrat Peter Sidlo wurde auf den extrem gut dotierten Vorstandsessel (Jahressalär 1 Million Euro) des zu einem Drittel in staatlichem Besitz befindlichen Casinos Austria berufen,.Als Gegenleistung sollen Politiker der Parteien versprochen haben, sich für Online-Gaming-Lizenzen und Casino-Lizenzen sowie die Wiedereinführung des „Kleinen Glückspiels“ in Wien einzusetzen.

Dieser Novomatic-Glücksspielkonzern stand nicht zum ersten Mal, sondern bereits 2005 in den Schlagzeilen im Zusammenhang mit Bestechungsvorwürfen gegen die Wiener Polizei und deren  Polizeigeneral Horngacher, und war danach dem Verdacht der Bestechungszahlung an den damaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser  für dessen Unterstützung bei der Liberalisierung des Glücksspielmonopols  ausgesetzt.

Mehr  Hausdurchsuchungen, mehr Beweismaterial mehr Beschuldigte

Mit den jetzigen Hausdurchsuchungen  stiess die   Wiener Korruptionsstaatsanwaltschaft nicht nur auf Beweismaterial – offenbar erdrückendes Beweismaterial – sondern mit jeder Hausdurchsuchung stieg auch  die Zahl der Beschuldigten. Insbesondere geriet  der bereits bekannte Thomas Schmid in den Fokus, aber damit auch Sebastian Kurz. Hilfreich für die Ermittler waren Daten auf dem i-Phone des Kurzschen “Wassertträgers”  Schmid, und den darauf festgehaltenen SMSs, sowie aufgezeichnete Gespräche zwischen Schmid und Kurz.  Daraus kristallisierte sich offenbar der Verdacht der  Vetterleswirtschaft, Postenschieberei, Korruption und  Verachtung der Medien.

Als das  Netz sich immer weiter zusammenzog, stieg Thomas Schmid aus und entschloss sich, seinen Schutzpatron Kurz im Stich zu lassen:  Der Kurz-Büttel plauderte bei der Staatsanwaltschaft alles aus. Mehr als 400 Seiten füllt sein umfassendes Geständnis, mit dem er hofft,  seinen Kopf  retten zu können, sodass aus einer drohenden langjährigen Freiheitsstrafe dann eine wesentlich kürzere wird –  Kronzeugen-Strafrabatt ein anderes Wort dafür.

In seinem Geständnis soll  auch der Vorwurf   stehen, er, Schmid habe dem Rene Benko das Finanzamt ganz oder teilweise per Angebot einer Gegenleistung  vom Leibe halten können.Es gilt auch hier die Unschuldsvermutung.

Jener Benko, Selfmade Milliardär, zu dessen Signa Imperium auch die Galeria Karstadt-Kaufhof-Kette gehört, in die der Deutsche Staat zwecks Erhalt von Arbeitsplätzen eines (etwas ausgedienten) Geschäftsmodells insgesamt 680 Millionen Euro im Verlauf der letzten drei Jahre gepumpt hatte –  eher wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen –  und ohne dass das jetzige  erneute Insolvenzverfahren hätte verhindert werden  können.

Rene Benko

Jener Benko, ein bereits wegen versuchter Bestechung vorbestrafter austrischer Geschäftsmann, der auch das Massenblatt Kronenzeitung kaufte, und Meinungs- und Pressefreiheit versprach, der aber auch versuchte, einen hier veröffentlichten Artikel aus dem Netz entfernen zu lassen, allerdings vergeblich.Ein Artikel, der sich zwar am Rande auch mit ihm, aber vorrangig  mit dem umstrittenen österreichischen Ex-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer beschäftigte.

Kurz, der im Oktober 2021 zurücktrat, nachdem seine Verfehlungen ruchbar wurden, und der natürlich alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe abstreitet, droht jetzt eine  lange Freiheitsstrafe,  sollten die Vorwürfe zu seiner Verurteilung führen.

Er heuerte nach seinem Abschied aus dem Bundeskanzleramt  bei einem Deutschen Unternehmer in den USA an namens Peter Thiel.

 Der hatte seinerzeit sein Geld zusammen mit Tesla- Musk gemacht, als sie Pay Pal erfanden und erfolgreich an die Börse gebracht hatten. Thiel streckte darüberhinaus   seine Fühler in die Politik aus, und zwar  in die rechte Ecke, dort, wo Donald Trump zu Hause, der gerade dabei ist, zur Wiederwahl anzutreten, und in der Vorbereitung viele republikanische Kandidaten zur Wahl des Kongresses  aus seiner rechten Ecke bei den Vorwahlen unterstützte und durchbrachte. Durchweg Leugner des Ergebnisses der US-Präsidentschaftswahlen 2020.

Zurück nach Österreich

Österreich hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Skandalschwerpunkt entwickelt, kaum schmeichelhaft für einen demokratischen Staat.Im Zentrum der meisten  Skandale stehen  Minister, ehemalige Minister und Spitzenfunktionäre der drei österreichischen Parteien SPÖ, ÖVP und  FPÖ.

Nun könnte man meinen, solche Skandale gibt es auch anderswo, das mache aus   Österreich noch lange keine Skandal- und schon gar nicht eine Bananenrepublik. Doch es ist die schiere Fülle an derartigen Skandalen aus den letzten Dekaden, in vielen  davon die Regierungsparteien – mal  die eine, mal die andere – verwickelt waren, die diesen Namen rechtfertigt.

An der Skandalspitze der Schwere nach  stehen:

  • der Noricum-Skandal, wo schwerste Geschütze (Haubitzen)  der Firma Voest-Alpine unter Verletzung des  österreichischen Friedensvertrages  mit  Billigung der österreichischen Regierung  auf Umwegen an die Kriegsparteien Iran und Irak in den 80er Jahren geliefert wurden. Details hier.
  • Der Lucona Skandal, wo ein bestens mit der SPÖ vernetzter Tausendsassa namens Udo Proksch   ein Frachtschiff mit dem Namen Lucona  vor den Malediven per Fern- oder Zeitzuendung in die Luft jagte bzw. jagen liess, um an eine hohe Versicherungssumme zu gelangen,wobei 6 Menschen ihr Leben verloren. Wo anschliessend die Ermittlungen zur Aufklärung behindert, verschleppt und verzögert wurden,  schliesslich die Wahrheit aber doch ans Tageslicht kam dank eines Privatdetektivs und zweier investigativer Journalisten,  in deren Folge der Verteidigungsminister sich die Kugel gab und etliche Minister den Hut nehmen mussten. Details hier
  •  der Hypo-Alpe Adria Bank Skandal (Skandalpe), wo FPÖ-und später BZÖ-Mitglied und Rechstsaussen Jörg Haider und sein Adlatus und Hypo-Alpe Chef Wolfgang Kulterer eine Bank ins Verderben führten, was den austrischen Steuerzahler – und den  bayerischen Staat, der über seine Bayern LB diese marode Bank zwischenzeitlich gegen gutes Geld in Höhe von  3,2 Milliarden Euro  erworben hatte, um sie anschliessend für einen Euro zurückzuverkaufen – viele  Miliarden Euro kostete. Grundelgendes dazu hier und dann hier.
  • Der BAWAG Skandal, bei dem eine Bank der Kleinen Leute, bestens vernetzt mit dem österreichischen Gewerkschaftsbund, durch waghalsige Spekulationen in finanzielle Schiefstlage gebracht wurde, und zu deren Rettung die Streikkasse geopfert und die Bank schliesslich  “verheuschreckt” werden musste. Details hier
  • Der Buwog-Skandal – Verkauf der Bundeswohnungen mit Bestechungssvorwürfen gegen den ehemaligen Finanzminister Karl-Heinz Grasser und Co . Details  hier
  • Der Telekom-Austria-Skandal (bulgarische Mobiltel und serbische Mobtel)/Details hier
  • Amtsmissbrauchskandal der Wiener Polizei Details hier und hier .

Es folgt eine Reihe mittelgrosser Skandale:

Zusammenfassung dieser Skandale siehe hier

Fazit

Dass unter diesen Umständen die Parteien erheblichen Kredit verspielt und der Politikverdrossenheit  Vorschub geleistet haben,  liegt auf der Hand. Wenn Florian Klenk, der Chefredakteur der Wiener Wochenzeitung Der Falter, in einem guten  Artikel in der ZEIT vom 27 10. 2022 zum Thema feststellt,  die Justiz und Presse hielten erfolgreich dagegen, so sind Zweifel angebracht,  denn der Ex-Finanzminister  Grasser, ist 17 Jahre nach dem Verfahrensbeginn und   Anklage wegen  Bestechlichkeit noch nicht rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Republik Österreich hat unter den europäischen Ländern sicherlich die  höchste Zahl an – bekannten – Skandalen gemessen an der Bevölkerungszahl  des Landes.Den Titel Skandal- Republik trägt das Alpenlände daher kaum zu Unrecht, über die Klassifizierung als Bananenrepublik lässt sich streiten.

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