Russland, die Invasion der Ukraine und die “Zeitenwende”

Dr. Alexander von Paleske —- 1.3. 2022 —-

Russland setzt die Grossoffensive in der Ukraine fort: noch mehr Tote und Verletzte, noch mehr Zerstörungen, auch von ziviler Infrastruktur und von Wohnhäusern, noch mehr Flüchtlinge,  und weiter hartnäckiger Widerstand der Ukrainer gegen die Invasoren.

Die Ukrainer haben den  russischen Vormarsch zwar aufgehalten, und den Invasoren offenbar auch erhebliche Verluste beibringen können,  letztlich jedoch  haben sie wohl keine wirkliche Chance gegen die russische Militär-Dampfwalze.

Was die Ukraine braucht

Der Westen antwortet auf die Offensive mit Waffenlieferungen wie  Panzerfäusten und  Flugabwehrraketen. Sie werden sicherlich nicht kriegsentscheidend sein.

Was die Ukraine jedoch dringend   braucht,  ist ein sofortiger Waffenstillstand. Der kann nicht  durch den Druck mit den beschlossenen Sanktionen erreicht werden: der  Weg zum Waffenstillstand führt nur über Diplomatie und  Friedensverhandlungen. Dabei könnte China eine entscheidende Rolle spielen, aber das wird bisher nicht genutzt.

China ist  Russlands Freund- aber nicht sein Verbündeter. Nur China wäre zur Zeit  in der Lage, den nötigen politischen Druck gegen – und die nötige Akzeptanz von Argumenten seitens  Putin erzeugen zu können, und damit  gleichzeitig eine Exit Strategie aus dieser Katastrophe  aufzeigen.

Keine Aktivitäten

Erfolgversprechende  diplomatische Aktivitäten, die zu einem raschen Waffenstillstand führen könnten , sind jedenfalls nicht zu erkennen, auch nicht mit den Verhandlungen an der Grenze zu Belarus. Schon gar nicht seitens der Aussenministerin Baerbock, die auf Konfrontationskurs zu China gegangen ist.

Für die USA war bisher China –  bis zur Invasion der Ukraine – ohnehin der Gegner Nr. 1. Darin unterscheidet sich der US-Präsident Joe Biden in nichts von seinem Vorgänger Donald Trump.

Zeitenwende?

Von „Zeitenwende“ war in der Regierungserklärung des  Bundeskanzlers  Scholz  vor dem Bundestag am Sonntag die Rede.

Bundeskanzler Scholz am 27.2. 2022 vor dem Bundestag
……Zeitenwende und 100 Milliarden Euro für die Aufrüstung

Die alten Gewissheiten seien nun (endlich für manche) über Bord geworfen worden. Und bei Anne Will vorgestern konnte  der aussenpolitische Experte der CDU, Norbert Röttgen sich gar nicht einkriegen mit der Hoffnung, die Ukrainer würden jetzt die Freiheit Europas mit Deutscher Waffenhilfe erfolgreich verteidigen.

Die “Zeitenwende” fand allerdings weit früher statt:  als nämlich die NATO-Osterweiterung forciert wurde-  unter Ausnutzung der wirtschaftlichen  Notlage Russlands –  bis es schliesslich zum Abschluss der Russland-NATO-Grundakte kam.

Russlands damaliger Präsident  Boris Jelzin sagte damals zu US- Präsident Clinton: er stimme dieser Lösung nicht zu, weil er einverstanden sei, sondern weil er sich gezwungen fühle

wie der damalige enge Mitarbeiter des Aussenministers Genscher, Frank Elbe,  in einem Interview mit dem SPIEGEL vom 26.2. 2022 berichtete.

SPIEGEL-Interview mit Frank Elbe

Und selbst, obwohl in der Grundakte ein beschränktes Mitspracherecht Russlands bei der Aufnahme neuer NATO-Mitglieder eingeräumt wurde, fragte die NATO Russland bei der Aufnahme baltischer Staaten erst gar nicht..

Frank Elbe:

Die politische Philosophie 1990 war es , einen  Gegensatz zwischen Ost und West zu verhindern. Der damalige Aussenminister  Genscher  hat mit gewissem Unwohlsein registriert, dass die  NATO Mitglieder aufgenommen hat, deren Mitgliedschaft vor allem gegen Russland gerichtet war.

Zehn Jahre nach der Wiedervereinigung ging es also, so Elbe, nicht mehr darum, eine  kluge und zurückhaltende Politik zu machen, auch die Interessen Moskaus im Blick zu haben, sondern darum,  alleinige Supermacht zu sein. Von Augenhöhe also keine Rede mehr. Das war die eigentliche Zeitenwende, von der jetzt so viel die Rede ist

Konflikt als Folge

 Damit waren die Voraussetzungen für einen Konflikt mit Russland geschaffen, der sich  in den folgenden Jahren verschärfte und  schliesslich  im Rauswurf Russlands aus der G8- Gruppe  und Sanktionen nach Annektierung der Krim gipfelten.

Putins Bestreben war es, diese Schmach und und diese Missachtung russischer Interessen zu beenden, sie rückgängig zu machen.

Sogenannte Freiheitsverteidigung

Auch sollte  bei all dem Gerede von “Verteidigung der Freiheit Europas” nicht vergessen werden,   dass schon zuvor die Freiheit Europas woanders angeblich verteidigt wurde: In Afghanistan. Vor  15 Jahren hiess es, die Freiheit Deutschlands werde am Hindukusch verteidigt. Und nicht nur Deutschlands, sondern der gesamten Freien Welt.

In Afghanistan  war vor 33 Jahren  schon einmal ein “David gegen einen Goliath“ erfolgreich gewesen, die Mudschahidun, nationale Islamisten, hatten mit westlicher Hilfe, darunter vor allem auch  Stinger Raketen, die jetzt  auch  in die Ukraine geliefert werden, der sowjetischen Armee die Lufthoheit genommen, und sie schliesslich zum Rückzug gezwungen.

Nun war die westliche Eingfreiftruppe mit dem Namen Isaf zum Rückzug gezwungen, und verliess im Juni  2021 Afghanistan nach dem Motto: „Nach uns die Sintflut.“

Die Sintflut gibt es jetzt dort, und zwar  in der Form des weitverbreiteten Hungers,  die vielen Millionen, insbesondere Kinder in diesem harten Winter  den Tod bringen könnte, wenn nicht rasch geholfen wird.  

Wen kümmerts noch? . Deutschland hat jetzt Wichtigeres zu tun: Massiv aufzurüsten. Im Bundestag Riesenbeifall gerade auch für den 100 Milliarden-Euro-Aufrüstungsplan, als Sondervermögen deklariert,  in Wirklichkeit Aufrüstungskredite . Auch von den Grünen mitgetragen, deren Gründer einst forderten: “Frieden schaffen mit immer weniger Waffen”.

Kein Frieden mit mehr Waffen

Dies Aufrüstungskredite werden jedoch keinen Frieden schaffen, sondern  eine neue Aufrüstungsspirale in Gang setzen, die Kriegsgefahr sicherlich nicht  vermindern, und  ernsthafte finanzielle Konsequenzen für Deutschland haben:  für diejenigen, die schon jetzt kaum über die Runden kommen,  allein schon durch eine deutlich erhöhte Inflation als Folge der Sanktionsmassnahmen gegen Russland.  Ganz abgesehen davon, dass Deutschland weiter die Klimaziele nicht einhalten kann, Kohlekraftwerke – und auch Atomkraftwerke – sollen weiter am Netz bleiben.

Waffenstillstand muss kommen

Keine Frage: Die  Grossoffensive der russischen Armee gegen die Ukraine ist ein Verbrechen, das auch durch den nun seit 8  Jahren stattfindenden Krieg im Osten der Ukraine nicht zu rechtfertigen ist.

Um das Massenelend mit mehr als 500.000 Flüchtlingen  rasch zu beenden  muss alles unternomen werden, um einen sofortigen Waffenstillstand zu erreichen. Und der Waffenstillstand muss gefolgt sein von Verhandlungen gemäss einem Punkte-Programm, das auch eine endgültige Lösung des Ostukraine-Konflikts beinhalten muss.

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