Dr. Alexander von Paleske —– 6.2. 2019 —– folgende Stellungnahme landete heute in meiner Mailbox:
DIE ZEIT, nach eigenem Verständnis ein Bollwerk des liberalen Journalismus, macht immer wieder nicht nur durch hochinteressante Artikel auf sich aufmerksam, sondern auch durch das öffentliche Auftreten ausgezeichneter JournalistIinnen.
Genannt sei die stellvertretende Chefredakteurin Sabine Rückert, auf Twitter als Alpha-Huhn (nomen est omen) unterwegs,und immer auf der Pirsch nach schreienden Ungerechtigkeiten in der Deutschen Justizlandschaft.
Sabine Rückert, alias alpha-Huhn auf Twitter
Tintenkulis unerwünscht
Eine Wochenzeitung wie die ZEIT braucht eben nicht einfach Tintenkulis, sondern unabhängig denkende Redakteure, die dank ihrer hervorragenden Fachkenntnisse auch mehr wissen, als z.B. Richter, und sich an der Unwissenheit Anderer stören..
Sabine Rückert hat zutreffend selbsteinschätzend sich dazu in einem Interview folgendermassen geäussert:
„Frage: Denken Sie, Sie wissen manchmal mehr als die Richter?
Rückert: Ja, manchmal denke ich das. Das klingt jetzt hybrid, aber es ist so. (…) Ich bin Journalistin und ich kenne mich mit Fakten aus. (…) Ich bin eine Fachjournalistin, davon gibt es auch nicht so viele auf diesem Gebiet. Was mich stört, ist die Unwissenheit der Anderen.“
Ganz hervorragend, zumal Frau Rückert gar kein Jurastudium absolviert hat, sondern dies mit ihrer überdurchschnittlichen Intelligenz und grossen Erfahrung schafft. Davon gibt es in der Tat nicht so viele.
Grossartiges Durchsetzungsvermögen
Mit Durchsetzungsvermögen (siehe alpha-Huhn) kann sie ebenfalls punkten, wie im Falle dieses Juristen-Soziologen, ehemaligen Bundesrichters und Strafrechts-Kommentar-Verfassers Thomas Fischer unter Beweis gestellt, den sie energisch in die Schranken verwies, und als ZEIT-Kommentarschreiber rauswarf . Der hatte sich erdreistet, Zweifel an einer angeblich stocksoliden Recherche-Reportage der ZEIT zu äussern, und damit nicht das hohe Mass an (bedingungsloser) Loyalität zu zeigen (“du hast uns nicht in den Rücken zu fallen”), was man in solch einer liberalen Wochenzeitung einfach erwarten kann, nein, muss.
Thomas Fischer
Undankbarkeit der Welt Lohn
Dieser Herr hatte insofern auch noch ein gerüttelt Mass an Undankbarkeit sich zuschulden kommen lassen: Fischer wurde eine Zeit lang die ihm absolut zustehende Stelle eines Vorsitzenden Richters beim Bundesgerichtshof mit Falschbeurteilungen Vorgesetzter verweigert. Erst nachdem Fischer sich mit einer Unzahl von Klagen gegen dieses schreiende Unrecht zur Wehr gesetzt hatte, musste Justizmininisterin Leutheusser-Schnarrenberger schliesslich ihm Gerechtigkeit zuteil werden lassen, denn Sabine Rückert hatte in einem langen Artikel diesen Beförderungs-Uebergehungsskandal einer breiteren Oeffentlichkeit bekannt gemacht, und dadurch den Druck auf die Justizministerin nicht unwesentlich erhöht. Der revanchierte sich mit tiefschürfend-juristischen Artikeln, Glosssen, und provokativen Stellungnahmen in der ZEIT, die eine hohe Zahl begeisterter Leser anlockte.
Nun ist er weg aus der ZEIT, aber macht trotzdem weiter – beim SPIEGEL, Meedia und anderswo. Solch ein standhafter Mann wie Fischer lässt sich eben, selbst von einer Frau Rückert, nicht den journalistischen „Schneid abkaufen“.
Glanzstück Kachelmann-Prozess
Das eigentliche journalistische Glanzstück hat Frau Rückert aber im Fall des trotz offenbarer Unschuld angeklagten “Wetterfrosches” Kachelmann geliefert. Sie wusste offenbar schon lange vor der Urteilsverkündung, dass diesem Herrn grosses Unrecht zuteil wurde. Nein, nicht nur aufrüttelnde Artikel hat sie geschrieben, sondern auch noch einen Verteidigerwechsel nahegelegt, einen, der diesem besonders schwierigen Verfahren gewachsen wäre, und dann auch tatsächlich war: Kachelmann entschied sich für Johann Schwenn, mit Frau Rückert gut, wenn nicht bestens, bekannt.
In diesen Verfahrensreportagen hat Frau Rückert in äusserst couragierter Form hinderliche und überkommene journalistische Prinzipien wie:
“Man macht sich als Journalist nicht mit einer Sache gemein, auch nicht mit einer guten” ,
also die Distanz zu wahren, über Bord geworfen, und sich mit voller, toller Verve auf die Seite des offenbaren Justizopfers geschlagen, als “Opferanwalt” sozusagen. Hochachtung!
Die aufjaulenden Journalisten von FAZ, Focus etc. hat sie gekonnt ignoriert. Wenn zum Himmel schreiendes Unrecht bekämpft werden muss, dann darf man sich auch nicht um solche Kritiküsse scheren.
Und sie hat es damit auch nicht bewenden lassen, sondern ist mehrfach darauf zurückgekommen, so zuletzt in einem langen und tiefschürfendem Interview am 3.1. 2019 in der ZEIT unter dem Motto:
Guten Tag Herr Kachelmann wie geht es ihnen heute, haben Sie sich von den rechtswidrigen Attacken gegen Sie gut erholt, beruflich wie privat?.
ZEIT vom 3.1. 2019
Ihre hervorragende Arbeit in den letzten Jahren, qualifiziert sie sicherlich nicht nur für den vollen Chefredakteursposten, sondern schliesslich auch für das Herausgebergremium, wo, nach dem Tode Helmut Schmidts, Josef Joffe allein die Stellung halten muss, sicherlich wegen seiner schweren Bürde gelegentlich Satire missversteht, und ggf.dann gerichtlich dagegen vorgeht – bisher leider vergeblich.
So eine hochbegabte Journalistin wie Frau Rückert hat ganz offensichtlich das Kaliber, in die Fusstapfen der verstorbenen Herausgeberin Marion Gräfin Dönhoff zu treten.