Statt Revolution Verschlimmbesserung: Karl Lauterbach und die Reform des Gesundheitswesens

Dr. med. Alexander von Paleske 11.12. 2022

Das Deutsche Gesundheitswesen ist  ineffektiv, belohnt überflüssige aber  lukrative  Operationen, vernachlässigt  die Kinderkliniken,   in der Geburtshilfe herrscht Mangel an Hebammen, ganz zu schweigen vom Pflegenotstand. Verantwortlich für diese katastrophalen Zustände ist auch  Gesundheitsminister Lauterbach, der vor 20 Jahren zusammen  mit der SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt  die desaströse  Fallpauschalen-Reform  ausheckte, abgesegnet dann von der damaligen rot- grünen Koalition.

Nun darf Lauterbach wieder ran, um den “Flurschaden”  zu beseitigen, den er mit  angerichtet hat. Schmidt allerdings nicht mehr:  Sie befindet sich mittlerweile  mit  gut dotierter Pension  im  Ruhestand.

Fazit einer  Kommission

Der Koordinator der von Lauterbach eingesetzten Beratungs-Kommission zur Reform des Gesundheitswesens, Tom Bschor, fasste es so zusammen:

 „Die Krankenhäuser werden kollabieren, wenn wir das nicht reformieren. Die Reform soll unterm Strich keine zusätzlichen Kosten verursachen. Schon jetzt seien die Ausgaben für die rund 1900 Kliniken der groesste Einzelposten der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV).  2021 fielen dafür  85 Milliarden Euro an, jeder 3. Euro der gesamten Leistungsausgaben der Kassen.

Lauterbach (re), Bschor (li)

Lauterbachs Revolution

Lauterbach kündigte, darauf gestützt, nun eine “Revolution”  im Gesundheitswesen an.

Soweit ist jetzt schon klar:

1.Das Fallpauschalen-System, was  Krankenhäuser, um überleben zu können,  zwang, lukrative,  oftmals aber nicht – oder nicht unbedingt – erforderliche Behandlungen zu forcieren, und Pflegepersonal zu kürzen, soll  keineswegs  abgeschafft, aber  in seiner Bedeutung reduziert werden. Ergänzt werden soll es durch die Erstattung von sog. Vorhaltekosten. Das sind laufende Kosten zum Betrieb des Krankenhauses, nicht aber der unmittelbaren Patientenbehandlung. Mehr Geld  für den Gesundheitsbereich soll es bei dieser “Revolution”  jedoch nicht geben, es soll   bloss umgeschichtet werden.

2. Fallpauschalen und Erstattung von Vorhaltekosten

Das System von  Fallpauschalen soll durch die Erstattung von Vorhaltekosten wie folgt ergänzt  werden: Bezahlung vonVorhaltekosten als die  zukünftige Grundversorgung  der Krankenhäuser, unabhängig von vollzogenen Behandlungen. Deren  Höhe  soll sich wiederum danach richten, zu welcher Kategorie die Klinik  gehört, und welche Behandlungen dort überhaupt honoriert werden sollen.

3. In die Kinderkliniken  und in die Geburtshilfe soll mehr Geld fliessen. Bisher wurden insbesondere  die Kinderstationen  dichtgemacht oder verkleinert, da sie im Fallpauschalesystem nur Verlustbringer waren. Das zeigt sich mit aller Brutalität jetzt  am Bettenmangel angesichts der hohen Zahl von RS-Virus-Infektionen.

4. Neue Kategorisierung der  Krankenhäuser

Krankenhäuser  sollen wie folgt  neu kategorisiert werden:

  • 4.1  Krankenhäuser der Grundversorgung, diese nochmals aufgeteilt in:
  • 4.1.1.  Grundversorgungs-Krankenhäuser ohne Notfallaufnahme die auch von Pflegepersonal geleitet werden können, und wo dann unregelmässig ein Arzt vorbeischaut. Der Begriff Krankenhaus im herkömmlichen Sinne ist für diese Einrichtungen allerdings völlig  irreführend. Im Prinzip handelt es sich um    Pflegestationen, die deshalb auch nur  Erstattung von Vorhaltekosten, nicht aber zusätzlich  Fallpauschalen bekommen sollen,  insoweit  vergleichbar mit Pflegeheimen. Es muss befürchtet werden, dass  alte, multimorbide Patienten in Zukunft dort “abgeladen” werden.
  • 4.1.2   Grundversorgungs-Krankenhäuser  mit Notfallaufnahme, wo aber nur nur kleinere Operationen durchgeführt werden, an denen auch niedergelassene Aerzte beteiligt werden sollen. Notfallaufnahme bedeutet aber hier oft genug auch nur Notfallversorgung, für alles weitere wie z.B. Stents nach Herzinfarkt, Frakturen die mehr als Gips benötigen, können hier nicht behandelt werden, müssen also weiterverlegt werden,  soweit dies angesichts der Bettenlage überhaupt möglich ist,wodurch wertvolle Zeit verloren geht.
  • 4.2 Krankenhäuser der Regelversorgung.

Erstattung von Vorhaltekosten und die  Fallpauschale sollen sich jetzt danach richten, was das Krankenhaus an Behandlungen überhaupt anbieten darf, und nicht danach, was  es tatsächlich kann. Dazu werden  Fachabteilungen wie z.B Chirurgie und Innere Medizin nicht mehr pauschal akzeptiert, sondern nur in den  jeweiligen Subspezialitäten, z.B. Kardiologie, Gastroenterologie, Gefässchirurgie etc.   Diese  – und nur diese –  sind in den Vorhaltekosten und bei den Fallpauschalen dann  relevant und berücksichtigungsfähig.

Zusätzlich zur generellen Akzepanz der  Fachkompetenz in der Subspezialität,  muss  eine bestimmte festgelegte Zahl von Eingriffen und Behandlungen  im Jahresdurchschnitt dort vorgenommen worden sein.

Konsequenz: Krankenhäusern  der Regelversorgung –  und das sind viele der insgesamt 1900 Krankenhaeuser –  droht  dank der geplanten Neuregelung  entweder die vollständige –  oder zumindest aber die  teilweise –  Schliessung, weil sie diesen  Vorgaben nicht genügen. Eine Stellschraube, an der sich perfekt drehen lässt für weitere zukünftige Schliessungen. Oder aber es droht die Abstufung  eines Regelkrankenhauses zu einem Krankenhaus der Grundversorgung.

Eine weitere Variante ist die Umwidmung zu  ambulanten Behandlungszentren – ganz auf der geplanten Linie, mehr Patienten in den ambulanten Bereich abzuschieben.

4.3 Umfangreichere Behandlungen sollen zukünftig  zentralisiert nur noch an  Grosskliniken der Maximalversorgung und Universitätskliniken durchgeführt werden, deren Kapazität aber  bereits jetzt  an Grenzen stösst. Die Folge wird sein: Lange Wartezeiten.

Fazit:

Von Revolution kann keine Rede sein. Das  Ganze entpuppt sich als pure Verschlimmbesserung, weil in Zukunft weit weniger Betten zur Verfügung stehen werden, und dies angesichts der Zunahme der Lebenserwartung, und damit der Zunahme von Kranken, sowie der Gefahr neuer Epidemien/Pandemien.

Viele Patienten dürften zukünftig in einem Krankenhaus der untersten Versorgungsstufe landen, wo ihnen oftmals keine adäquate Behandlung angeboten werden kann,  eine Weiterverlegung an eine groessere Klinik an der dortigen Bettenknappheit oft genug scheitern wird.

In Wirklichkeit geht es also nicht um eine Revolution, sondern um ein krudes Programm der Kostendämpfung, wobei insbesondere ältere und multimorbide Patienten das Nachsehen haben.

Die überlebenden Krankenhäuser werden mit der neuen Reform keineswegs durchgreifend entlastet, weil auch nichts unternommen wird, um den  milliardenschweren Rückstau von Investitionen abzubauen.

Den Pflegenotstand beseitigt  diese “Revolution“ auch nicht, es sei denn man folgt einer zynischen Argumentation: Durch drastische Bettenstreichungen brauchen wir ja auch weniger Pflegepersonal.

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